Ich flirte nun mal gern!

Das Thema Flirten bzw. Fremdflirten war in Toms Beziehung inzwischen ein heißes Eisen.

Meine Frage, wie es ihm und Karin inzwischen gehe, war offenbar nicht sehr geschickt gewesen. Tom schien ziemlich genervt! Er verspüre wirklich keine Lust, sich schon wieder mit Karins Eifersucht zu befassen, ihm würde es langsam reichen. Ja, ja, diese Geburtstagsparty seines Freundes Alex….. die war immer noch das Thema! „…die Szene, die sie mir da gemacht hat, werde ich so schnell nicht vergessen! Mein Gott, war das peinlich!“

Aber wenn Karin schon in allen Einzelheiten darüber geplaudert hatte, warum sollte er dann nicht auch einmal seine Sicht der Dinge schildern?
„Ja, warum eigentlich nicht, wenn mir endlich nur mal zugehört würde, ohne dass mir gleich jedes Wort im Mund um- gedreht wird! In letzter Zeit denke ich, in unserer Beziehung dreht sich alles nur noch um diesen verdammten Streit! Weißt du, was das Problem ist? Ich liebe Karin, und ich flirte nun auch mal gern! Aber für Karin ist das „Fremdflirten“ reine Lieblosigkeit – eigentlich schon fast ein Treuebruch! Für manche ihrer Reaktionen fehlt mir einfach das Verständnis! Dass ich als Dauerflirter bezeichnet werde, stört mich noch am wenigsten, aber dass ich mir ständig vorwerfen lassen muss, ich sei rücksichtslos und würde sie bewusst verletzen wollen, das hängt mir langsam zum Hals heraus!
Ja, verdammt noch mal, ich flirte gern! Was ist denn daran eigentlich so schlimm? Das heißt doch nicht, dass ich den Frau- en Avancen mache, mit mir hinter dem nächsten Gebüsch zu verschwinden! Aber für Karin scheint das die logische Fortsetzung vom Flirten zu sein! Ich brauche im Biergarten doch nur dezent hinter einer Frau herzusehen, schon ist sie sauer, als hätte ich gerade gesagt: guck mal, die gefällt mir besser als du! Dabei habe ich gar nicht vor, mit einer anderen Frau anzubandeln! Unsere Beziehung bedeutet mir wirklich sehr viel! Aber genau das glaubt Karin mir nicht! Häufig muss ich mich für Dinge rechtfertigen, die nur in ihrer Fantasie existieren!

Ein Tango bringt das Fass zum Überlaufen

Mein „Verbrechen“ auf Alex ́ Geburtstagsparty war der Tango, den ich mit dieser Sissi getanzt habe. Dieser Tanz hat mich schon immer fasziniert, darum habe ich vor einigen Jahren auf einer Argentinienreise einen Tangokurs mitgemacht. Aber wann trifft man in der Heimat schon mal eine Frau, die Tango tanzen kann? Diese Sissi, die kanns! Mit ihr Tango zu tanzen war wirklich super! Als ich Karins Gesicht gesehen habe, wusste ich schon, was mir blühen würde, aber das war mir in dem Moment egal! Ich bin doch nicht ihr Schoßhund!

Was dann passiert ist, weißt du ja: Wie ein Raubtier hat sie mich gepackt und in eine Ecke gezerrt. Da hat sie mir angedroht: Wehe, wenn ich mit der Frau noch ein Wort wechseln sollte, dann würde sie der ihren Wein ins gesicht schütten. Meine Worte haben sie dann so auf die Palme gebracht, dass sie einen Schreikrampf bekam und am Ende mir den Wein ins Gesicht geschüttet hat! Heulend ist sie danach ins Schlafzimmer der Gastgeber gerannt. Danach war die Partystimmung jedenfalls erst einmal auf dem Nullpunkt – und unsere Beziehung ebenso!

Zum ersten Mal bin ich richtig froh, dass wir noch getrennte Wohnungen haben! Ich weiß nicht, ob es eine Lösung gibt. So kann es jedenfalls nicht weitergehen! Der Gedanke an eine gemeinsame Wohnung ist für mich jedenfalls erst einmal vom Tisch!“

Nein, so konnte es mit Karin und Tom wirklich nicht weitergehen.Sie waren drauf und dran,sich gegenseitig aufzureiben. Hier war eine Entscheidung fällig! Entweder sie würden sich trennen müssen, oder sich entschließen, gemeinsam nach einer Lösung des Problems zu suchen. Dass Tom sich manchmal wie ein Schoßhund fühlte war kein Wunder, denn Karin ließ ihn nicht aus den Augen, wenn eine andere Frau in seiner Nähe war, womit sie jedoch nur seine Sturheit forcierte.

Er sah sich im Recht: Karin sollte doch endlich mit dem „Theater“ aufhören!

„Karin will einen Schoßhund als Mann!“

Es wurde ein längeres Gespräch, in dem Tom darüber sprach, wie sehr er inzwischen unter ihrer Eifersucht und dem Streit litt. Häufig fühle er sich kontrolliert und verhört, als wolle sie ihm etwas beweisen. Dabei könne er schwören, dass es keinen Anlass gebe, ihn zu verdächtigen! Aber als Kettenhund oder Schoßhund eigne er sich nun mal nicht!

Was für eine verfahrene Situation: Mit seinem Flirtanspruch verteidigte Tom seine Autonomie, weil er sich durch Karin eingeengt und gegängelt fühlte. Und Karin verteidigte ihren Anspruch auf Rücksichtnahme, weil sie Tom unterstellte, dass er sie manchmal kränke, nur um ihr und allen anderen seineUngebundenheit zu demonstrieren.

So standen sich beide immer wieder ohne gegenseitiges Verständnis im Streit unversöhnlich gegenüber. Diese Beziehung war offenbar an einem Punkt angelangt, der entweder zum Wendepunkt würde, oder aber unausweichlich in die Trennung führte. Die entscheidende Frage war, ob Tom und Karin sich, trotz ihrer Probleme, noch in Liebe verbunden fühlten. Nur dann würde es Sinn haben, zusammenzubleiben.

Wir sprachen über sein Flirten, das wie ein „Brandbeschleuniger“ Karins Angst vor Liebesverlust bisher immer wieder angefacht und ihr Vertrauen erschüttert hatte. Auch wenn das Flirten nicht die eigentliche Ursache war, so wirkte es doch als Schmerzauslöser auf eine Wunde, mit der Karin vermutlich schon lange lebte.

Tom schien irritiert: „Was soll das heißen? Darf ich keine anderen Frauen mehr angucken?!“

Moment mal!

> Moment mal Tom!< ich merkte, dass es an der Zeit war, deutlich zu werden: >Kann es sein, dass du dir etwas vormachst? Hier geht es doch nicht nur um das bloße Angucken anderer Frauen! Ist deine Freude an ihnen wirklich immer ganz ohne Erwartung, wie die Freude an einer schönen Pflanze? Oder macht dir das Flirten solchen Spaß, weil es deinem Ego schmeichelt? Täuscht der Eindruck, dass du hin und wieder Wert darauf legst, eine Ungebundenheit vorzutäuschen, dass man fast denken könnte, für dich gäbe es zurzeit keine feste Partnerin? Bist du dir dessen eigentlich bewusst?<
Das waren genau die Momente, in denen Karin sein Verhalten besonders verletzend empfand, weil sie darin seine Absicht zu spüren glaubte, sie zu verleugnen, um sich wie ein Single zu präsentieren! Welches Motiv mochte sich dahinter verbergen?
Fürchtete Tom um seine Freiheit und Unabhängigkeit? Hatte er Angst, zum Spießer oder zum „Schoßhund“ zu mutieren? War er eventuell bindungsscheu? Irgendeinen Grund musste es doch geben!

Tom fuhr sich unwirsch durch die Haare, seine anfängliche Selbstsicherheit war verschwunden: Darüber wolle er lieber ganz allein für sich einmal nachdenken… immerhin! Es wäre der Anfang seiner eigenen Spurensuche.

In der Krise liegt die Chance

Wenn Tom tatsächlich bindungsscheu war, dann musste Karins Eifersucht für ihn das sein, was sein Flirten für sie war: ein wahrer Katalysator für die vorhandenen Ängste!

Sollte man den beiden nicht raten: Leute, trennt euch! Mit euch beiden kann das doch nichts werden!?
Der Rat wäre voreilig! Was hier auf den ersten Blick als die unselige Verbindung zweier Menschen erscheint, ist in Wahrheit für beide eine Chance: Es ist die Chance, der jeweils eigenen Problematik auf die Spur zu kommen, um daran zu wachsen und reifer zu werden.
Tom ahnte offenbar inzwischen, dass er es sich zu einfach macht, wenn er Karins Reaktionen nur mit ihrer zweifellos vorhandenen Eifersucht als Theater abtat! Er würde sie in Zukunft ernst nehmen müssen, wenn er ihr helfen wollte, ihm zu vertrauen.
Mit dem Tangotanz auf der Party hatte er bei Karin nur ein Fass zum Überlaufen gebracht, in dem es sicherlich schon lange brodelte: Zu lange hatte er es offenbar ignoriert, dass Vertrauen nicht vom Himmel fällt, sondern erworben, geschützt und bewahrt werden muss! Für ihn war immer nur Karin mit ihrem Theater schuld an den Streitereien. er selbst fühlte sich im Recht und hatte dabei ahnungslos etwas Entscheidendes versäumt: Vertrauen zu schaffen! Hier hatte Tom einiges nachzuholen.

Wie so oft liegt auch hier in der Krise eine Chance! Wenn Tom und Karin sie erkennen, werden sie aus ihrer momentan problematischen Liebesbeziehung eine reife Liebe entwickeln können, in der weder ein Tango noch gelegentliches „Fremdirten“ zum Problem werden dürften.

Bis zum nächsten „Moment of Life“!

Herzlichst,

Ihre Dörte Thieme