Von Love Scam hatte sie noch nie etwas gehört

Linda war wirklich nicht auf der Suche nach ihrem Traummann. Den Glauben an die große Liebe hatte sie verloren. Die Trennung von ihrem langjährigen Partner hatte Wunden hinterlassen, die noch nicht verheilt waren. Aber was sollte ihr schon passieren, wenn sie sich bei Facebook nur ein bisschen umsah. Von Love-Scamming hatte sie noch nie etwas gehört….

Linda war attraktiv und ihr Profilbild war ein Hingucker – kein Wunder also, dass sich vor allem Männer bei ihr meldeten. Ihr Interesse an den Zuschriften hielt sich in Grenzen, die meisten empfand sie eh nur als „Anmache“. Eines Tages meldete sich jedoch ein Mann, der anders schrieb als die anderen: Auf eine feine Art war er zurückhaltend liebenswürdig und gleichzeitig sehr interessiert an ihr – eine gute Mischung, wie Linda fand. Sie fingen an zu chatten und bald tauschten sie ihre Telefonnummern. Es berührte Linda, wie offen und ehrlich dieser Ron über sich und sein Leben sprach. Er hatte gerade eine Scheidung hinter sich, für die er zu ihrem Erstaunen allein die Verantwortung auf sich nahm: Immer seien ihm seine Geschäfte wichtiger gewesen als seine Frau und seine Kinder. Aber was würden ihm jetzt seine Millionen nützen? Gar nichts! Einsam und unglücklich lebe er nun in seinem Riesenhaus in Los Angeles. Alles könne er sich mit seiner verdammten Kohle kaufen, nur keine Liebe! Eines wüsste er genau: Sollte er jemals wieder eine Frau finden, die ihn wirklich liebt, würde er an der alles wieder gutmachen, was er bei seiner geschiedenen Frau versäumt hatte. Aber was sagte er da! Es war eigentlich doch gar nicht seine Art, sich so schnell einem anderen Menschen anzuvertrauen! Vielleicht war es ihr entwaffnender, liebevoller Blick auf dem Foto oder ihre wunderbare Stimme am Telefon…..

Linda im 7. Himmel

Linda war wie verzaubert. Und ehe sie sich versah, war sie in ihn verliebt. Die Beziehung wurde von Tag zu Tag enger, sie sprachen inzwischen von Liebe und einer gemeinsamen Zukunft. Diesen Mann musste ihr der Himmel als Retter geschickt haben! Lebensfreude, Schaffenskraft, Selbstvertrauen – alles kehrte zu ihr zurück, sie war im siebten Himmel – und ahnte nicht, dass dieser Mann für sie gerade die Hölle vorbereitete…..

Über WhatsApp tauschten sie Fotos aus, und täglich telefonierten sie miteinander. Zweimal hatte Ron inzwischen schon seinen Besuch angekündigt, ihn jedoch jedes Mal kurzfristig verschieben müssen. Es gab für ihn einfach zu viel zu regeln und zu tun. Darüber war er selbst genauso betrübt wie Linda. Aber was sollte er machen? Sein Leben veränderte sich gerade komplett: Er war mit dem Umzug nach Italien beschäftigt, der sich allerdings schwierig gestaltete: Täglich erreichten ihn neue Hiobsbotschaften der Baufirma, die er dort mit den Umbaumaßnahmen seines Landhauses beauftragt hatte.
Voller Sehnsucht bat er Linda, ihm doch wenigstens ein paar Nacktfotos von sich zu schicken, wenn sie sich schon nicht sehen konnten. Linda erfüllte ihm den Wunsch, aber Ron wollte mehr. Er bat sie um Nahaufnahmen als Liebesbeweis, und bitte mit ihrem bezaubernden Gesicht!

Es war ein wirkliches Geschenk, das ihm Linda voller Vertrauen damit machte. Aber warum sollte sie ihrem zukünftigen Lebenspartner diesen Wunsch nicht erfüllen?

Ein erster Blick in die Hölle

Zwei Tage später sollte Linda die Hölle schon einmal kennenlernen, in die sie von nun an mehr und mehr hineingeraten sollte: Ron teilte ihr am Telefon mit, dass ihn soeben ein verzweifelter Hilferuf seiner geschiedenen Frau erreicht habe: Mit den Kindern säße sie ohne einen Cent in Deutschland zwischen Umzugskartons im neuen Haus, das er ihr gekauft habe. Keiner wüsste wieso, aber das Geld, das er ihr aus den USA längst angewiesen hatte, sei immer noch nicht auf ihrem Konto. Wahrscheinlich hing das mit den Schwarzgeld-Vorschriften zusammen. Noch nie habe er einen Menschen um Geld bitten müssen, aber jetzt habe er keine Wahl: Sie, Linda, sei der einzige Mensch in Deutschland, der schnell helfen könne. Wenn sie seiner Frau für ein, zwei Wochen mit 40 Tausend Euro aushelfen würde, wolle er es tausendfach an ihr wieder gutmachen!

So viel Geld? Das hatte sie gar nicht! Wie stellte er sich das vor?!

Was dann passiert, lässt Linda das Blut in den Adern gefrieren: In eisigem Ton entschuldigt Ron sich für seine Bitte. Nie wieder würde er sie um etwas bitten. Er habe geglaubt, sie würden sich gegenseitig vertrauen, aber das war offensichtlich ein Irrtum. Er sei maßlos enttäuscht von ihr, denn er spüre ihr Misstrauen! Alles Gute wünscht er ihr noch für die Zukunft, dann legt er auf und ist nicht mehr erreichbar. Bei Facebook ist sie ab sofort für ihn gesperrt.

Das perfekte Opfer

Für Linda bricht eine Welt zusammen. Sie macht sich bitterste Vorwürfe, weil sie Ron mit ihrem Zögern offenbar tief verletzt hat. Aber das war doch nur ein Missverständnis! Er selbst schwamm im Geld und konnte sich einfach nicht vorstellen, dass diese Summe für sie ein kleines Vermögen war! Einen Kredit würde sie aufnehmen müsste! Sie würde ihm das so gern erklären, aber sie hat keine Chance. Wie ein Komet ist Ron aus ihrem Leben verschwunden. Tagelang weint Linda, nimmt Beruhigungsmittel, um nicht durchzudrehen, ist kaum in der Lage, im Büro ihre Arbeit zu erledigen, weil sie an nichts anderes mehr denken kann  – und erkundigt sich bei ihrer Bank nach einem Kredit….

Dann meldet sich Ron wieder bei ihr: Die Trennung habe ihm fast das Herz gebrochen, aber mit Misstrauen könne er nicht leben! Um ihrer Liebe willen sei er jedoch bereit, es noch einmal mit ihr zu versuchen.

Linda ist überglücklich. Sie bittet ihn um Verzeihung, sie habe ihn wirklich nicht verletzen wollen, er müsse es nur bitte verstehen: für die Summe brauche sie einen Kredit!

Ron hat verstanden. Ja, natürlich liebt er sie noch….. natürlich will er sie so bald wie möglich besuchen kommen. An seiner Enttäuschung habe er allerdings noch zu knacken! Dann ist er wieder wie vom Erdboden verschluckt, und der Psychoterror beginnt von Neuem. Linda bangt, hofft und betet.

Ankunft in der Hölle

Drei Tage später ist er wieder am Telefon, aber dieses Mal ist alles anders: Heute will er nicht über Liebe sprechen, heute geht es nur um die 40 Tausend Euro: Ron stellt ihr ein Ultimatum für die Überweisung, ansonsten wird er ihre Nacktfotos mit ihrem Namen und all den schlüpfrigen E-Mails ins Internet stellen. Die Bankverbindung schickt er ihr schon während des Telefonats per WhatsApp zu. Linda ist fassungslos. Das kann Ron doch nicht wirklich ernst meinen! Will er sie bestrafen? Vielleicht will er sie ja nur auf die Probe stellen, will ihr Vertrauen testen! Sie findet das zwar schlimm, hofft aber, ihn besänftigen zu kön- nen. Den Gedanken, dass sie es mit einem Schurken zu tun hat, verbietet sie sich.

Endlich kommt der erlösende Brief der Bank: der Kredit ist bewilligt! Jetzt fehlt ihr nur noch Rons Vergebung zu ihrem Glück. Noch am selben Tag schickt sie ihm per WhatsApp die „gute Nachricht“: Habe soeben das Geld überwiesen – in Liebe, Linda!

Damit ist ihr Schicksal besiegelt, die Hölle kann endgültig beginnen. Für Ron hat sich „der Fall“ hiermit erledigt – zumindest vorläufig: Eine Detektei wird ihn, der eigentlich Dennis heißt und wegen Betrugs vorbestraft ist, später mit seiner Ehefrau und Komplizin in einem bescheidenen Reihenhaus im Saarland ausfindig machen….

Love Scam – Liebesbetrug im Internet

Wer jetzt mit den Augen rollt und meint, so töricht und naiv wie diese Linda könne doch eigentlich niemand wirklich sein, der wird sich wundern, wenn er „Love Scamming“ googelt: Der Liebesbetrug im Internet scheint sich gerade als neuer Wirtschaftszweig zu etablieren. Obwohl er durchaus auch von Frauen praktiziert wird, handelt es sich hier offenbar eher um eine Männer-Domäne. Während unzählige Menschen in derAnonymität des Netzes nach Trost und Hilfe für ihre Probleme suchen, halten skrupellose Kriminelle gezielt Ausschau nach Opfern. Wie ein Navigator steuert ihr krimineller Instinkt sie zu den „Sehnsüchtigen“ und „Einsamen“ – hier werden sie fündig. Potentielle Opfer erkennen sie unter Umständen schon an der Art ihrer ersten Reaktion. Mit sicherem Gespür erfassen sie, ob es sich lohnen könnte, hier am Ball zu bleiben. Von da an ist alles nur noch eine Frage der Raffinesse: Mit gefaktem Profil erschaffen sie von sich das Bild eines „Traummannes“, erschleichen sich das Vertrauen des Opfers und erobern schließlich sein Herz.

Dieser Betrüger weiß genau, welchen Typ Frau er vor sich hat und welche Vorgehensweise zu ihr passt: Spürt er bei ihr eine besondere Neigung zu sozialem Engagement und Mitgefühl, wird er diese „wunderbare, liebenswerte Frau“ allein schon dafür „lieben“. Mit der emotional berührenden Schilderung einer akuten Notsituation wird er alsbald ihr Herz rühren und die finanzielle Hilfe seiner „Liebsten“ dankbar annehmen. Eine schlimme, aber „unverschuldete“ Pechsträhne dürfte dem bald folgen und die Geldquelle weiter am Sprudeln halten. Die Kreativität des „Unglücksraben“ kennt keine Grenzen…..

Die Masche mit Liebesentzug und Mitleid

Ist die Frau eher der romantische Typ, wird er ihr eine Zukunft ausmalen, in der sie beide, vereint in Glück und Harmonie, ihre große Liebe leben werden. Einmal im Netz dieses Betrügers, wird sie höchstwahrscheinlich die plötzliche finanzielle Notlage, die das ersehnte erste Treffen oder den romantischen Traum insgesamt zu gefährden droht, mit allen Mitteln um ihrer Liebe willen abwenden wollen – und zahlen…..

Spielen Erotik und sexuelles Verlangen eine besondere Rolle, wird dieser „Traummann“ Erregung, Ungeduld und Vorfreude systematisch so aufbauen, dass sein urplötzlich erfolgender Liebesentzug in seinem Opfer unweigerlich Katastrophenstimmung erzeugt: Einen nichtigen Anlass wird er zu einem unverzeihlichen Vergehen seines Opfers aufbauschen, um tiefe Enttäuschung und Verletzung vorspielen zu können. Der daraufhin inszenierte Abbruch der Beziehung soll Verzweiflung und Schuldgefühle erzeugen. Er weiß genau, dass er nach ein paar Tagen Liebesentzug pure Glückseligkeit am anderen Ende der Leitung erleben wird. Noch ein, zwei weitere Male wird er sein grausames Spiel wiederholen, dann hat die Zermürbungstaktik ihren höchsten Wirkungsgrad erreicht: Das Opfer ist nervlich am Ende und wird alles tun, um seine „Liebe“ nicht zu verlieren.

Vor „Liebe“ blind?

Nicht selten wird die unfassbare Vertrauensseligkeit der Opfer damit erklärt, sie seien „vor Liebe blind“ gewesen. Aber war Linda wirklich vor Liebe blind? Oder war es etwas anderes, das sie blind gemacht hatte? Als Mensch war Ron für sie doch bis zum bitteren Ende ein Fremder geblieben. Ein Fremder, den sie aber zu kennen und zu lieben glaubte, in den sie vor allem all ihre Hoffnungen und Sehnsüchte hineinprojiziert hatte! Durch sein strategisches Vorgehen hatte sich bei ihr die Illusion einer großen Liebe entwickelt, die sie sich um jeden Preis bewahren wollte. Genau damit hatte sie sich jedoch emotional erpressbar gemacht: Egal, wie schäbig sich ihr „Traummann“ auch verhielt, sie wagte es nicht, ihn zu demaskieren. Stattdessen suchte sie die Schuld bei sich und rechtfertigte alles als Reaktion auf ihr eigenes „Fehlverhalten“. Das konnte ihr nur gelingen, weil sie es konsequent vermied, hinzusehen, wie schäbig dieser Mann wirklich war.

Linda war nicht vor Liebe blind gewesen. Die Angst vor der Zerstörung ihrer Illusion hatte sie blind gemacht!

Allen Interessierten empfehle ich folgende Seite:        https://www.detektei-aplus.de/love-scamming.htm

Bis zum nächsten „Moment of Life“

Herzlichst

Ihre Dörte Thieme