Die vier Erpresser-Typen

Wer sich vor emotionaler Erpressung schützen will, sollte nicht nur wissen, wie sie sich vollzieht. Wichtig ist auch das Wissen darüber, wie der Erpresser tickt. Welche Merkmale kennzeichnen seine Persönlichkeit und seine Art der Kommunikation, und welche Motive leiten ihn?

Die männliche Sprachform des Erpresser-Typs habe ich aus pragmatischen Gründen gewählt. Selbstverständlich sind Frauen ebenso wie Männer gemeint, wenn es heißt: Der Rächer, der Wehleidige, der Märtyrer und der Eroberer.

Der Rächer

Der Rächer stellt als der aggressive Erpresser-Typ seinem Opfer offen und radikal Bedingungen: „Wenn du mich nicht verlieren willst, dann sieh endlich deine Fehler ein!…oder: Mach´nur weiter so, dann wirst du schon sehen, was passiert!….. oder: Tu endlich, was ich dir sage, dann ist alles gut!“ So oder ähnlich setzt der Rächer sein Opfer unter Druck.

Er droht seinem Opfer klipp und klar mit Konsequenzen, sollten seine Forderungen nicht erfüllt werden. Damit schürt er Angst und drängt sein Opfer in einen Konflikt. Der Rächer bindet andere Menschen durch seine Überlegenheit und seine Macht. Sein Opfer führt er bis an die Schmerzgrenze, um es gefügig zu machen. Wird ihm die Gefügigkeit verweigert, folgt zur Strafe seine Rache. Dabei kennt er kein Pardon und erinnert so an die Elternmacht, mit der in der autoritären Erziehung Gehorsam erzeugt wird. Das Opfer hingegen erinnert an die Ohnmacht, die in der autoritären Erziehung erzeugt wird, um Gefügigkeit herzustellen.

Der Wehleidige

Der Wehleidige leidet und erduldet seine Umwelt. Ständig wartet er darauf, dass die anderen sein Leiden erkennen und Rücksicht auf ihn nehmen. Ihn interessieren die Bedürfnisse des anderen nicht. Sein Egoismus bestimmt seine Vorgehensweise. Mit seinem Wunsch nach Rücksichtnahme ist der Wunsch nach Zuwendung verbunden. Wenn er bei seinem Opfer etwas Bestimmtes erreichen will, weiß er sich wirkungsvoll mit seiner Hilflosigkeit in Szene zu setzen.  Damit schürt er Gewissensbisse und Schuldgefühle und drängt sein Opfer so in den Konflikt: >Das kann ich ihm nicht antun! Er kann nichts dafür, dass er so schwach ist….<

Die Stärke dieses Erpresser-Typs liegt in seiner demonstrierten Schwäche! Anders als der Rächer übt er seine Macht auf indirekte Weise aus.  Ihm auf die Schliche zu kommen, ist daher nicht einfach. Schließlich ist jeder einigermaßen einfühlsame Mensch bereit, rücksichtsvoll mit jemandem umzugehen, der sich ihm kränkelnd und hilflos zeigt. Der Wehleidige bindet andere Menschen an sich, indem er von ihnen Fürsorge, Rücksichtnahme und Verantwortung erwartet. Damit erinnert er an das bedürftige Kind, das sich damals um die Zuwendung der egoistischen Eltern bemühen musste.

Der Märtyrer

Der Märtyrer will Anerkennung und Respekt. Mit einer gehörigen Portion Ehrgeiz begibt er sich oft an die Grenzen seiner Kräfte. Er ist  bereit, einfach alles zu geben: Egal, wo er gerade ist, er sieht sofort, wo es etwas zu tun gibt. Auf Partys ist er derjenige, der ein Auge auf volle Aschenbecher und leere Gläser hat. Am Arbeitsplatz ist er derjenige, der unaufgefordert Kollegen Arbeit abnimmt, Kaffee kocht und die Pflanzen gießt. In Freundschaft und Beziehung opfert er sich geradezu auf, um dem anderen zu zeigen, wie wertvoll ihm diese Beziehung ist. Er bindet andere Menschen an sich, indem er sich für sie unentbehrlich macht.

Er wäre aber kein Märtyrer, wenn er nicht auf Gegenleistungen spekulieren würde. Er ist eben nicht der selbstlose Wohltäter. Er fordert die Anerkennung seiner guten Taten und will dafür absolute Gefolgschaft, Einfluss und Kontrolle. Ihn als Erpresser zu erkennen, ist schwierig: Wer sich für andere aufopfert, dem wird niemand leichtfertig etwas anderes unterstellen wollen als die reine gute Absicht! Diese Arglosigkeit des Opfers weiß der Märtyrer für sich zu nutzen. Er erinnert damit an das Kind, das sich damals die Aufmerksamkeit und Anerkennung der Eltern gesichert hat, indem es mit Umsicht, Ehrgeiz und Verantwortungsgefühl die Familie unterstützt hat.

Der Eroberer

Der Eroberer ist der Charmanteste unter den vier Erpresser-Typen. Man könnte ihn auch als „Verführer“ bezeichnen, denn er ist ausgesprochen großzügig im Verteilen von Sympathie, Bewunderung, Komplimenten, Anerkennung und Versprechen. Auf eine besonders raffinierte Weise bindet er andere Menschen an sich, indem er ihnen Vorteile verspricht oder eine Verheißung in Aussicht stellt. Stets sorgt er für gute Stimmung und weiß sie intuitiv zu nutzen. Seine Großzügigkeit sollte daher nicht voreilig als Freude am am Geben gedeutet werden. Als Erpresser fehlt ihm jegliche Selbstlosigkeit.

In ihm vereinigen sich die Motive der drei anderen Erpresser-Typen: Mit Macht, Ehrgeiz und Egoismus sucht er nach seinem persönlichen Vorteil. Mit der Idealisierung seines Opfers erzeugt er bei ihm den nötigen Druck, ihm seine Erwartungen zu erfüllen. Das Opfer will ihn auf keinen Fall enttäuschen, weil es fürchten muss, ihn sonst zu verlieren. Seine Angst ist berechtigt: Für den Eroberer ist es typisch, dass er nicht zögert, Kontakte radikal abzubrechen. Sollte er erkennen,  dass seine Bemühungen sich nicht lohnen werden, erlischt sein Interesse und er wendet sich ab. Diese Art der Enttäuschung passt einfach nicht zu seinem Lebensmodell.

Mehr zum Thema ist in meinem Buch zu lesen. Die vier Erpresser-Typen sind dort sehr viel detaillierter beschrieben und mit entsprechenden Fallgeschichten anschaulich dargestellt..