Eifersucht sucht ständig nach Bestätigung

Es hätte eine tolle Party werden können, wenn da nicht dieser Tango gewesen wäre! Nette Leute, Büffet und Getränke vom Feinsten und Musik für jeden Geschmack. Es wurde geplaudert, gelacht und sich fröhlich zugeprostet. Hier wurde schließlich kein Kindergeburtstag gefeiert, sondern der 40. des Gastgebers! Die Stimmung war ausgelassen und irgendwann wurde auch getanzt.

Und genau damit nahm die unselige Geschichte ihren Lauf: Als ich Karins Gesicht sah, ahnte ich schon nichts Gutes. Mit ihrem Weinglas in der Hand stand sie da und beobachtete mit finsterer Miene Tom, der gerade Tango tanzte. Nicht irgendwie, wie unsereiner das so macht, sondern wirklich gekonnt – es war ein Hingucker! Kaum war der Tango verklungen, passierte das, was ich fast befürchtet hatte: Karin schritt energisch auf Tom zu, packte ihn am Arm und verschwand mit ihm in einer Ecke. Auch wenn kein Wort zu verstehen war: dass die beiden sich nicht gerade ihre Liebe erklärten, war für jeden erkennbar. Plötzlich richteten sich alle Augen auf die beiden, denn Karins schrille Stimme übertönte sogar die laute Musik. Alle sahen, wie sie Tom ihren Rotwein ins Gesicht schüttete und heulend davonlief.

Tom, der Mistkerl

Völlig aufgelöst fand ich sie im Schlafzimmer der Gastgeber. Sie habe die Nase endgültig voll „…von diesem…. diesem Mistkerl! Der weiß ganz genau, was er mir antut! Tausendmal habe ich ́s ihm schon gesagt!“ Sie brach wieder in Schluchzen aus. „…und dann ausgerechnet mit dieser Schlampe (sorry, ich zitiere nur), die schon bei Cora und Fred gezündelt hat! Hast du ihr Outfit gesehen?…. widerlich! Seitdem dieses Weib solo ist, grast die alle Partys ab und stiftet nichts als Unfrieden! Wieso wird die überhaupt noch eingeladen? Zu Tom sage ich dir nur eines: Der hat seine Chance gehabt! Mir reicht’s! Der lernt es nie!“ –  Was bitte, lernt der nie? – „Rücksicht auf mich zu nehmen, endlich zu begreifen, was er mir mit seiner ewigen Flirterei zumutet!“

Damit hatte Karin ihr eigentliches Problem ungewollt auf den Punkt gebracht: Sie forderte Rücksichtnahme, denn sie fühlte sich durch Toms Verhalten verletzt. Ob er mit einer anderen Frau tanzte, sie freundlich ansah oder sich mit ihr unterhielt – irgendwie witterte Karin immer Unheil. Sie ließ ihn nicht aus den Augen und litt Höllenqualen  – anstatt sich selbst zu amüsieren. Damit teilte sie das Los aller von Eifersucht Geplagten: Ihnen kommen Heiterkeit und gute Laune abhanden, weil die sich nicht mit Eifersucht vereinbaren lassen. Beides gleichzeitig geht nicht.

Was heißt denn hier Eifersucht?

„Was heißt denn hier Eifersucht?“ Karin war empört. „ich bin doch nicht eifersüchtig, wenn ich den Tatsachen ins Auge sehen will! Ich bin einfach nur realistisch und will wissen, woran ich bin! Und was ich sehe, macht mich wütend! Glaub mir: ich werde ganz bestimmt nicht eines Tages aus allen Wolken fallen, nur weil ich die Augen nicht offen hatte!“

Natürlich war Karin eifersüchtig – und zwar extrem! Aber dieses Eingeständnis passte offenbar nicht zu ihrem Selbstverständnis. Und doch verhielt sie sich mit ihrer Eifersucht so wie die meisten ihrer weiblichen und männlichen Leidensgenossen. Sie beargwöhnte ihren Partner: Nichts sollte ihr entgehen, was ihr eventuell seine betrügerische Absicht beweisen würde. Sie suchte gewissermaßen nach Beweisen für etwas, das momentan gar nicht existierte! Damit befand sie sich in einem Teufelskreis, in dem Misstrauen und Argwohn ihre Eifersucht förderten, was wiederum verschärfte Kontrollen nach sich zog. Bohrende Fragen, Vorwürfe und immer wieder Streit waren die Folge: Der Konflikt mit Tom war Teil eines laufenden Programms.

Eifersucht – wie ein roter Faden im Leben

Wer erträgt es schon auf Dauer, vom Partner ständig wie ein Ganove observiert und verhört zu werden? Wer will sich schon permanent für etwas rechtfertigen müssen, das sich vor allem in der Fantasie des anderen abspielt? Apropos: Was ging eigentlich in dem Moment in Karin vor sich, wenn sie Tom argwöhnisch beobachtete? War sie wirklich so realistisch, wie sie es von sich behauptete? Oder war es eher ein Film, der in ihrer Fantasie ablief, in dem sie sich angstvoll ausmalte, wie es eventuell mit Tom und der anderen Frau weitergehen könnte? Hatte sie Angst, im Vergleich mit der anderen möglicherweise den Kürzeren zu ziehen und am Ende als Verliererin dumm dazustehen?

Dieses grässliche Gefühl, das Eifersucht in uns auszulösen vermag, hat wahrscheinlich jeder schon erlebt: Urplötzlich schießt es durch unseren Körper und wir fühlen uns schlagartig hundeelend. Das sind Momente voller Qual, aber der reale Anlass und unsere Reaktion müssen in ein möglichst ausgewogenes Verhältnis gebracht werden, wenn wir unsere Souveränität behalten wollen. Wer in einen extremen Gefühlszustand gerät, weil er seinen Partner oder seine Partnerin gerade in flagranti erwischt hat, steht vor einem größeren Problem, als jemand, der durch das Flirten des Partners aus dem Gleichgewicht gerät.

Eifersucht als stilles Motiv

Ich kenne Karin lange genug, um zu wissen, dass sich Eifersucht, wie bei den meisten ihrer Leidensgefährten, wie ein roter Faden durch ihr Leben zieht. Auch in der Art, wie sie ihr jeweiliges Problem immer wieder zu lösen versucht, unterscheidet sie sich nicht wesentlich von ihnen: Irgendjemand ist immer „schuld“ an ihrem quälenden Zustand! Hier mischt sich ein instabiler Selbstwert als Gefühl, dem Partner eventuell nicht genug zu sein, mit der Suche nach einem Schuldigen, der für die Misere verantwortlich gemacht wird. Dass sich eine außenstehende Person hierfür besonders gut eignet, ist naheliegend, denn durch sie lässt sich das eigentliche Problem mit den Verlustängsten und dem Selbstwert am ehesten vom eigenen Leib fern- und aus der Partnerschaft heraushalten. So war es also auch bei Karin: „Weißt du was? Ich glaube, Tom, dieser Trottel, der hat in seiner Partystimmung tatsächlich gar nicht bemerkt, dass die nicht nur tanzen wollte! Oooh nein! Die wollte mehr!“

Nach der bewussten Party konzentrierte Karin sich also auf diese außenstehende Person: Sie fing an zu lästern und andere gegen diese Frau aufzuhetzen, die für sie die Schuldige war: Vor allem die anderen Frauen sollten wissen, was das für eine ist! Sie würden schon im eigenen interesse dafür sorgen, dass die nicht mehr eingeladen wird!

Ob Karin mit ihrer Vermutung richtig liegt, was die Absichten der anderen Frau angeht, wissen wir nicht. Viel interessanter ist doch aber die Frage, warum sie sich eigentlich mit Tom ausgerechnet einen Partner gewählt hat, dessen – nennen wir es einmal „offene Art Frauen gegenüber“ – wie ein Brandbeschleuniger auf ihre Verlustängste und ihr fragiles Selbstwertgefühl wirkt! Auf den ersten Blick mag diese Wahl wie ein totaler Fehlgriff erscheinen, und man möchte dieser Frau zurufen: Um Himmels willen! Trenn dich doch von dem Kerl!

Trennung als Lösung?

Da ich selbst nicht an Zufälle glaube, sehe ich in dieser Partnerwahl allerdings etwas ganz anderes: Sie ist Karins Chance! Durch sie wird sie so lange zur Konfrontation mit ihrem Problem gezwungen sein, bis sie sich entweder von Tom trennt, oder…..? Oder ihr Leidensdruck sie veranlasst, nach dem eigentlichen Ursprung ihrer Eifersucht zu suchen – und der heißt nicht Tom! Tom könnte zehn heilige Eide schwören, nur noch Limonade zu trinken und nie wieder zu flirten – es wäre keine wirkliche Lösung für Karins Eifersucht! Es würde ihr auch nicht wirklich helfen, wenn seine Tangopartnerin ihr nie wieder auf einer Party begegnen würde: Demnächst wäre es dann eine andere Frau, die ihre Eifersucht weckt. Selbst eine Trennung von Tom wäre nur eine scheinbare Lösung, denn ihre Eifersucht würde sie als schweres Gepäck in die nächste Partnerschaft mitnehmen.

Verlustängste als Eifersucht

Sehr wahrscheinlich lebt Karin, ohne es zu wissen, schon seit langem mit ihren Verlustängsten. In ihrem emotionalen Erfahrungsgedächtnis halten sie sich verborgen und warten nur auf gewisse Impulse, um aktiv zu werden. Den Weg zur Lösung ihres Problems wird sie nur in sich selbst finden können. Er wird sie über das Erinnern bestimmter prägender Ereignisse hin zu dem Kind führen, das sie einmal war. Sie müsste sich nur erinnern wollen, aber das braucht Mut! Wer erinnert sich schon gern an die traurigsten Momente seines Lebens? Karin würde entdecken, dass sie sich heute noch in bestimmten Momenten genauso fühlt, wie damals als verzweifeltes Kind, das Angst hatte, nicht mehr geliebt zu werden. Vielleicht kannte sie als Kind den Liebesentzug als Strafe, vielleicht glaubte sie, die Eltern hätten sie weniger lieb als die Geschwister, oder es waren andere Anlässe, die eine Wunde hinterlassen haben, die zum Ursprung ihrer späteren Verlustängste und ihrer Eifersucht wurde.
Mit dieser Erkenntnis könnte sie als erwachsene Frau ihre eigene Emotionalität verstehen lernen und anfangen, für sich selbst die Verantwortung zu übernehmen. Es wäre eine Eigenverantwortung, die keine Schuldigen mehr braucht.

Bis zum nächsten „Moment of Life“!
– dann wird übrigens Tom zu Wort kommen, der keine Lust hat, den „Schoßhund“ zu spielen!!

Herzlichst
Ihre Dörte Thieme