Hier, mitten in Kreuzberg, einem Hot-Spot Berlins, befindet sich seit vielen Jahren das Atelier der Künstlerin Elvira Bach – auf einem historisch renovierten Fabrikgelände, direkt an der Spree. Im Lastenaufzug geht es in den 3. Stock.Wir werden erwartet – keine Selbstverständlichkeit bei Künstlerbesuchen.

Im weiten Gewand steht sie in ihrem großen Atelier und heißt uns willkommen. Natürlich mit ihrem persönlichen Erkennungsmerkmal: dem Turban! Als Symbol ihrer tief empfundenen Afrika-Affinität steht er für ihr Leben, das eins ist mit ihrer Kunst. Alles um sie herum und an ihr selbst zeugt von Freude an satten Farben: Feuerroter Lippenstift, knallroter Nagellack, Garderobe und Schmuck – alles fügt sich mit farbenfrohen Streifen, Punkten, Karos und den Farben im Raum zu einem Ganzen. Kein Zweifel: Hier ist eine Powerfrau am Wirken!

Auch wenn ihr das Einordnen von Kunst widerstrebt: Die einst „Junge Wilde“ ist nicht zu verleugnen! Apropos, die „Jungen Wilden“: Natürlich hat der Aufbruch in dieses neue Zeitgefühl auch sie damals erfasst und geprägt. Aber nie hat sie sich einer der Künstler-Gruppen anschließen wollen. Als unabhängige, freie Einzelgängerin ist sie sich bis heute treu geblieben. Inzwischen hat die steile Karriere Elvira Bach längst zu einer der erfolgreichsten Malerinnen der Gegenwart werden lassen – und zu einer Berliner Ikone der internationalen Kunstszene!

Zielstrebig war sie 1972 nach Berlin aufgebrochen, um bei Hann Trier an der Hochschule der Künste das zu studieren, was sie immer schon wollte: „Freie Malerei“! Parallel zu ihrem Studium arbeitete sie zur Zeit des Regie-Rebellen Peter Stein an der Schaubühne am Halleschen Ufer als Requisiteurin, Souffleuse und Foyerdame. Die Tage waren zweigeteilt: Tagsüber wurde in der Hochschule studiert und abends in dem Theater gearbeitet, das damals wegen seiner berühmt-berüchtigten revolutionären Inszenierungen international Furore machte.

Es folgte die Zeit als „Artist in Residence“ in Santo Domingo. Mit fünf anderen Stipendiaten aus Berlin reiste sie in die Dominikanische Republik. Sie waren die ersten, die in das Künstler-Dorf in den Bergen von Altos De Chavon einzogen. Alles war noch im Aufbau. Außerhalb des Dorfes waren anfangs nur Bauschutt und Ruinen, aber im Dorf hatten sie bald alles, was sie brauchten: Läden, Bars, Discotheken und Ateliers. An diesem entlegenen Ort erreichte Elvira Bach eines Tages ein Telegramm …. „ein gelber Zettel, auf dem eine Einladung stand“. Dieser gelbe Zettel bedeutete: Koffer packen und zurück nach Deutschland! Es war 1982 die Einladung zur documenta7 nach Kassel!

Der Name „Elvira Bach“ hatte ab sofort auf dem Kunstmarkt einen Stellenwert, für den sich von nun an namhafte internationale Galerien und Museen interessierten. New York wurde aufmerksam! Plötzlich hingen ihre Bilder in New York im Guggenheim Museum und im Museum of Modern Art. Elvira Bach war jetzt eine der gefragtesten Künstlerinnen der Gegenwart. Eine Ausstellung folgte der nächsten.

Zur selben Zeit lernte sie in Berlin ihren Ehemann kennen, einen Senegalesen – den Vater ihrer beiden Söhne Lamine und Maodo, die 1984 und 1992 zur Welt kamen. Die Schwangerschaften hinderten sie nicht, weiterhin auch an großformatigen Bildern zu arbeiten: Bis zum Schluss stieg sie, wenn es sein musste, mit Pinsel und Farbe auf die Leiter. Und wie hat sie es geschafft, ihr Leben als Künstlerin mit ihrem Leben als Frau und Mutter in Einklang zu bringen? Hatte sie dafür ein Rezept?

Die Antwort ist kurz und bündig: Disziplin! Na klar, wie hätte es auch anders gehen sollen! Eine längere Pause stand nicht zur Debatte. Ohne wenn und aber ging es weiter. Nachdem sie ihren ersten Sohn anfangs noch mit ins Atelier genommen hatte, fand sie für die folgenden Jahre eine zuverlässige Betreuung für ihre Kinder. Mit freiem Kopf konnte sie in ihrem Berliner Atelier arbeiten. Senegal und Deutschland waren für lange Zeit die beiden Pole, zwischen denen sie pendelte: Hier wie dort lebte sie und malte ihre starken, durch Afrika geprägten Frauen-Portraits.

Angefangen hatte alles einmal ganz anders: zwischen Obst und Blumen in einem Obstbauern-Dorf im Taunus. Mitten in der Natur wuchs Elvira Bach als Kind in einer Fülle sinnlicher Erfahrungen auf. Hier fand sie ihren inneren Reichtum, der seitdem ihr Lebensgefühl bestimmt und in ihrer Kunst zum Ausdruck kommt: Früchte und Blumen, Geschirr und Küchenutensilien versinnbildlichen in ihren Frauen-Portraits ihre bodenständige Verbundenheit mit Natur und Heimat und allem, was untrennbar zu ihrem Leben gehört. Und immer wieder zierliche Frauenschuhe und High heels! Für Elvira Bach ein Symbol des Weiblichen, das ihren selbstbewussten Frauen einen Hauch Erotik verleiht.

Bilder von Elvira Bach

Jedes Frauen-Bild scheint einen Moment ihres eigenen Lebens wiederzugeben, in dem sie als Künstlerin mit dem Portrait vereint ist und so von sich erzählt. Dabei lässt diese Powerfrau nichts aus: Mit ihren Portraits „Ich“ und „Überall funkelt die Welt“ zeigt sie die starke Frau in ihrer ganzen Schwäche – mutig und verletzbar: Betrunken vor leeren Gläsern, während es rot hinter der großen Sonnenbrille in eines der Gläser tropft, oder betrunken unter dem Tisch liegend: Für alle sichtbar gibt sie sich die Blöße, sich danebenzubenehmen…. In diesem Moment steht ihre Welt auf dem Kopf, für eine Weile sieht sie sich diese von unten an – und behält dabei ihre Würde.

Wer als Frau die Portraits betrachtet, mag hier und da von sich selbst etwas in ihnen wiedererkennen, oder aber insgeheim wünschen, von der Energie dieser Frauen selbst etwas zu besitzen. Unberührt lassen sie einen jedenfalls nicht – so wenig wie die Person Elvira Bach selbst.

Kein Wunder also, dass es Versuche gibt, diese schillernde Künstlerin durch fantasievolle Titel zu charakterisieren: „Ikone der Berliner Kunstszene“ oder „Berliner Afro-Punkerin“….. keiner gefällt ihr.

„Verdammt noch mal! Ich bin ich!“ sagt sie und bläst energisch den Rauch ihrer Zigarette in den Himmel.