Manche Eltern meinen tatsächlich, ihr Kind habe den Bogen schon ziemlich gut raus, ihnen ein schlechtes Gewissen zu machen. Sie sind der Meinung, es habe Spaß daran, sie emotional unter Druck zu setzen und zu erpressen. Wenn es hier also überhaupt ein Erpressungs-Opfer gäbe, dann seien sie es selbst und ganz bestimmt nicht ihr Kind!
Eine interessante Feststellung, die hier einmal kritisch betrachtet werden soll:
Die Eltern fühlen sich schlecht, weil ihr Kind ihnen möglicherweise vorwirft > n i e dürfe es was, a l l e seine Freunde dürften oder bekämen dies oder das, a l l e anderen Eltern seien cooler, hätten mehr Zeit und Verständnis für ihr Kind. Vielleicht sagt es sogar >…wenn ihr mich wirklich lieb haben würdet, dann…<. Natürlich sollen solche Worte Druck bei den Eltern erzeugen. Schließlich geht es dem Kind gerade darum, ein Bedürfnis oder einen Wunsch und Willen durchzusetzen. In der Wahl ihrer Argumente sind Kinder nicht zimperlich und sich ziemlich gleich. Aber warum sollten Eltern deswegen ein schlechtes Gewissen haben?!
Eltern haben die Wahl
Was auch immer der Grund sein mag, warum die Eltern diesen Wunsch nicht erfüllen wollen oder können: Es ist in dem Moment ihr eigenes Unvermögen oder ihre fehlende Bereitschaftder, die ihnen ihr Unwohlsein verursacht! Vielleicht fehlt ihnen die Zeit oder die Geduld, vielleicht ist ihnen der Aufwand zu groß oder die Kosten zu hoch. Eltern müssen sich dafür nicht rechtfertigen, aber es wäre gut, wenn sie es ihrem Kind erklären. Sie würden ihm damit beweisen, dass sie es ernst nehmen. Wahrscheinlich wären die Eltern sehr erstaunt, wieviel Verständnis sie bei ihrem Kind finden. Die Eltern haben also mehrere Möglichkeiten, die Situation zu klären: Von einer Erpressung, die ihnen keine Wahl lässt, kann daher nicht die Rede sein.
Kinder fangen an, sich penetrant zu verhalten, wenn sie sich ignoriert oder nicht ernst genommen fühlen.
Weiß das ältere Kind inzwischen, wie es erfolgreich seine Eltern unter Druck setzen kann, wird es für die Eltern Zeit, ihr eigenes Verhalten einmal genauer unter die Lupe zu nehmen: Haben sie im Laufe der Zeit bestimmte Allüren ihres Kindes bei Ablehnung eines Wunsches aus Bequemlichkeit nicht ernst genommen und durchgehen lassen? Wollten sie einfach nur ihre Ruhe haben, wenn es sich übellaunig und aggressiv verhielt?
Das Kind als Spiegel seiner Eltern
Haben die Eltern ihm häufig seinen Willen gelassen, weil es ihnen zu lästig war, sich mit ihrem Kind auseinanderzusetzen? Die hilflosen Versuche zwischendurch, mit einem kategorischen Nein für Ruhe zu sorgen, haben das grundsätzliche Problem auch nicht lösen können. Das Verhalten des Kindes ist nämlich nur ein Teil des eigentlichen Problems. Das Kind zeigt, dass es eine „Lektion“ gut gelernt hat! Es ist die Lektion, die ihm von seinen Eltern als Partner exemplarisch vorgelebt wird. Eltern, die sich von ihrem Kind emotional erpresst glauben, sollten sich ehrlich die Frage stellen, wie sie es selbst damit halten, Wünsche und Bedürfnisse zu äußern. Wie gehen sie selbst miteinander um und wie reagieren sie auf Wünsche des anderen oder auf Ablehnung eines eigenen Wunsches? Wenden sie in ihrer Partnerschaft eventuell selbst emotionale Erpressung als Mittel zum Zweck an? Es könnte sein, dass sie im Verhalten ihres Kindes sich selbst wiedererkennen, denn das Kind spiegelt mit seinem Verhalten das seiner Eltern.
Emotionale Erpressung wird da gelernt, wo es von Anfang an um Emotionen geht – in der Familie!